Wenn es um das eigene Arbeitszeugnis geht türmen sich bei viele Studenten und Absolventen die Fragen im Kopf. Genügt ein einfaches Zeugnis oder sollte es qualifiziert sein? Wie verhalte ich mich bei Streitigkeiten zur Beurteilung? Welcher Teil ist der Wichtigste im Zeugnis? Und welche Formulierungen entkräftigen selbst die blumigsten Worte? PRAKTIKUMSFÜHRER.de hat dazu Arbeitszeugnisexpertin Petra Pflanz befragt.
Petra Pflanz hat sich seit 1998 besonders auf Arbeitszeugnisse und damit verbundene Themen, wie zum Beispiel Leistungsbeurteilung oder Jahresgespräche, aus dem Personalbereich spezialisiert und ist als selbständige Beraterin auf diesem Gebiet tätig. Sie kennt beide Seiten des beruflichen Alltags sehr genau, weiß um die Erwartungen der Arbeitnehmer an ein Arbeitszeugnis, kennt aber auch die gesetzlichen Anforderungen an die Arbeitgeber. Neben ihrer Beratertätigkeit betreut sie als Expertin auf einem Business-Portal die Praxistipps für Arbeitszeugnisse.
PRAKTIKUMSFÜHRER: Viele Praktikanten werden von den Unternehmen mit einem einfachen Arbeitszeugnis verabschiedet. Sollte man Ihrer Meinung nach in dieser Situation trotzdem für ein qualifiziertes Zeugnis kämpfen?
Pflanz: Ja, ich empfehle jedem Praktikanten sich unbedingt ein qualifiziertes Zeugnis ausstellen zu lassen. Das Zeugnis dient Praktikanten als Nachweis über das durchgeführte Praktikum und somit auch über erworbene berufliche Kenntnisse und praktische Erfahrungen in der Arbeitswelt. Der Anspruch auf ein so genanntes qualifiziertes Praktikumszeugnis richtet sich nach § 19 BBiG (Berufsbildungsgesetz) in Verbindung mit § 8 BBiG, denn Praktikanten werden i.d.R. als Lernende angesehen. Es darf sich bei einem Praktikum nicht um einen versteckten Aushilfsjob handeln, bei dem keine berufliche Praxis erworben werden kann. Bei einem Praktikum sollte immer die Möglichkeit zum Erwerb beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten und Fähigkeiten im Vordergrund stehen. Ein Praktikumszeugnis muss Angaben zu Art, Dauer und Ziel des Praktikums enthalten, muss über übertragene Aufgaben, Leistungen und Führung Auskunft geben.
PRAKTIKUMSFÜHRER: Manchmal läuft das Praktikum jedoch nicht so wie man es sich vorgestellt hat. Schusselige Fehler oder Stress mit dem Chef können dafür sorgen, dass man bei dem Gedanken an die Beurteilung Bauchschmerzen bekommt. Wie sollte man sich in einer solchen Situation verhalten?
Pflanz: Wenn die Chemie zwischen Vorgesetzten und Praktikanten nicht stimmt, merkt man das i.d.R. nicht erst in der letzten Praktikumswoche. Hier empfehle ich jedem früh genug das Gespräch mit dem Chef zu suchen. Wenn das nicht gelingt, dann kann man sich auch an die Personalabteilung wenden. Auf keinen Fall sollten problematische Situationen während eines Praktikums ausgesessen werden. Wer die ihm übertragenen Aufgaben korrekt erfüllt, wer Lern- und Arbeitsbereitschaft zeigt, wer seine Fähigkeiten einbringt und erweitert, wer mit eigenverantwortlicher, zuverlässiger und gewissenhafter Arbeitsweise punktet und gute Ergebnisse abliefert, der hat schon mal die Hürde für eine qualifizierte Leistungsbeurteilung genommen. Fehler passieren, dafür wird niemandem der Kopf abgerissen. Um „schusselige“ Fehler zu vermeiden sollte jeder Praktikant gleich von Anfang an, am besten schon während der Einarbeitungsphase, bei Unklarheiten Fragen stellen. Nur wer nicht arbeitet, macht keine Fehler, so ein bekanntes Sprichwort. Stress mit dem Chef muss ja nicht zwangsläufig schlechte Arbeit oder schlechtes Verhalten bedeuten.
In einem Zeugnis dürfen emotionale Spannungen oder gar persönliche Zwistigkeiten allerdings keinen Ausdruck finden.
PRAKTIKUMSFÜHRER: Man hört immer wieder, dass sich Praktikanten ihr Zeugnis auch oftmals selbst erstellen sollen. Worauf sollten diese unbedingt achten?
Pflanz: Ich finde es sehr problematisch, wenn sich Praktikanten ihr Zeugnis selbst schreiben. Einerseits ist es zwar eine Chance, ein gutes Zeugnis zu erhalten, andererseits birgt das auch Risiken, besonders wenn man als Selbstbeurteiler nicht die erforderliche Distanz zu seinen Arbeitsleistungen hat und sich durchgängig als sehr gut beurteilt. Das kann genau das Gegenteil bewirken. Als Selbstschreiber muss man die Sicht des Beurteilers (Chef/in) einnehmen, was äußerst schwierig ist. Selbst wenn man sich mit Zeugnisliteratur bewaffnet ist man nicht auf der sicheren Seite. Ein Beispiel: Wer sich unter dem Punkt Arbeitsbereitschaft ins Zeugnis schreibt „…war stets pünktlich und ehrlich“ und offen lässt, wie es mit seinem Fleiß bestellt war, der hat sich selbst einen unbeabsichtigten Patzer eingebaut. Üblicherweise wird so eine Aussage als „Trias“ mit den Komponenten „immer pünktlich, ehrlich und fleißig“ formuliert. Wenn also ein Glied der Trias fehlt, stellt sich der Leser die Frage, ob es sich um ein absichtliches Weglassen des 3. Gliedes handelt. Wenn im Zeugnis der „Fleiß“ fehlt, dann könnte die Aussage dahin gehend interpretiert werden, dass der oder die Beurteilte nicht als sehr fleißig gegolten hat. Hand auf’s Herz, wer kann schon diese Feinheiten als Zeugnisselbstschreiber kennen? Wer sich selbst einen Zeugnistext schreiben darf, der sollte zumindest eine vertrauensvolle Person oder einen Experten in Sachen Arbeitszeugnis bitten, diesen selbst verfassten Text zu lesen, damit man so auf Ungereimtheiten hingewiesen werden kann.
PRAKTIKUMSFÜHRER: Doch auch wenn das Unternehmen die Beurteilung selbst erstellt, heißt das nicht, dass sie frei von unbeabsichtigten Fehlern ist. Welche werden in diesem Zusammenhang besonders häufig begangen?
Pflanz: Man findet besonders häufig formale Fehler, zweideutige Formulierungen oder auch Auslassungen in Zeugnissen. Zu den formalen Fehlern gehören die Erwähnung der Adresse oder eine ausgefüllte Bezugszeichenzeile, obwohl es sich nicht um Schriftverkehr handelt. Das Ausstellungsdatum stimmt oft nicht mit dem Praktikumsende überein. Dann gibt es eine Vielzahl von zweideutigen Formulierungen, den so genannten „Geheimcodes“, die nicht ins Zeugnis gehören. Wird zum Beispiel geschrieben: Er war stets pünktlich und bemühte sich, den Anforderungen gerecht zu werden., kann interpretiert werden: Er hat sich zwar bemüht, es aber nicht geschafft, wenigstens hielt er die Arbeitszeit ein. Auch Auslassungen kommen häufig vor. Da werden einfach wichtige Informationen nicht aufgenommen, obwohl sie der Leser auf Grund des Praktikumsthemas oder der Aufgabenbeschreibung erwartet. Wird etwas nicht erwähnt, obwohl es zum Thema des Praktikums und zum Tätigkeitsgebiet gehörte oder wird eine wichtige Tätigkeit nicht beurteilt, können dadurch Leistungsmängel oder Mängel im Verhalten interpretiert werden.
Es gibt auch verbotene Geheimzeichen, die ebenfalls in keinem Zeugnis auftauchen dürfen. Dazu gehören u.a. Anführungszeichen, Ausrufe- oder Fragezeichen, Häkchen, Kursivdruck, Unterstreichungen oder Fettschrift. Beispiel: Eine unterstrichene Telefonnummer soll den Leser zum Anrufen animieren, um weitere im Zeugnis nicht niedergeschriebene Details über den Praktikanten zu erfahren. Seltener werden verbotene Inhalte wie Abmahnungen, Gehalt, Alkoholgenuss, Schwangerschaft, Mutterschutz und Elternzeit, Gewerkschaftszugehörigkeit oder -tätigkeit, Parteizugehörigkeit, Privatleben, Gesundheitszustand in ein Zeugnis aufgenommen. Aber kommt so etwas vor, muss das reklamiert werden. Auch die Gestaltung des Textes (Layout, Textlänge) ist wichtig. Die Beschreibung der übertragenen Aufgaben und der Leistungsteil müssen in einem passenden Textverhältnis zueinander stehen. Und ein schludriges Layout bedeutet, dass es der Praktikant nicht wert war, ihm am Ende eine wertschätzende Beurteilung auszustellen.
PRAKTIKUMSFÜHRER: Ist die Tätigkeitsbeschreibung im Zeugnis wirklich der wichtigste Punkt oder worauf kommt es an?
Pflanz: Nicht ganz, aber die Aufgaben- und Tätigkeitsbeschreibung sind sehr wichtige Elemente eines Zeugnisses. Denn worauf sollte sich eine Leistungsbeurteilung, die als Herzstück eines Zeugnisses gilt, stützen, wenn nicht auf die übertragenen Aufgaben und ausgeübten Tätigkeiten während der Praktikumszeit. Dabei kommt es darauf an, dass die ausgeübten Tätigkeiten thematisch zum Praktikum passen. Jedes Praktikumszeugnis sollte eine detaillierte Tätigkeitsbeschreibung enthalten und diese sollte wiederum so vollständig und genau formuliert sein, dass sich Leser ein klares Bild machen können (Urteil BAG vom 12.08.1976). Ich bekomme immer wieder Zeugnisse, die nur über eine Aufzählung von Aufgaben verfügen. Daraus ist nicht erkennbar, ob der Praktikant diese Aufgaben auch ausgeführt hat bzw. ob ausgeführte Tätigkeiten mit den aufgezählten Aufgaben zusammenpassen. Eine kurze Aufzählung vermittelt dem Leser zwar einen raschen Überblick über die Hauptaufgaben, aber eine textliche Beschreibung von ausgeführten Tätigkeiten verdeutlicht erst die Zusammenhänge praktikumsthematischer Arbeits- und Lerninhalte. Es lassen sich nur ausgeübte Tätigkeiten beurteilen. Übertragene Aufgaben nicht.
PRAKTIKUMSFÜHRER: Welche Schlussformulierungen können ein eigentlich sehr gutes Zeugnis völlig entkräften?
Pflanz: Wenn Dank, Bedauern und Zukunftswünsche in einem sehr guten bis guten Zeugnis fehlen oder lapidar kurz gehalten sind, ist das ein Alarmsignal. Das Fehlen dieser Aussagen insgesamt oder manchmal auch nur einer Komponente kann bedeuten, dass die vorher im Text beschriebenen Aussagen damit herabgestuft werden, was einem Geheimcode gleichkommt. Damit werden negative Interpretationen möglich. Auch wenn man diese Schlussbemerkungen nicht verlangen kann, so gehören sie doch zu den heute anerkannten üblichen Schlussaussagen sehr guter bis guter Zeugnisse.
PRAKTIKUMSFÜHRER: Stimmt es, dass ein hervorragendes Zeugnis manchmal auch negativ interpretiert werden kann?
Pflanz: Ja, und zwar dann, wenn es vor Superlativen strotzt. Wenn jemand als absolut fehlerfrei, immer/stets/jederzeit überschwänglich beschrieben wurde, dann ist das schon bedenklich. Übertreibungen machen ein Zeugnis insgesamt immer unglaubwürdig. Dabei kann es sich um Wegloben oder um ein selbst geschriebenes Zeugnis handeln.
Auch ein systematischer Textaufbau ist für ein vollständiges und wohlgeordnetes Zeugnis entscheidend. Wichtiges kommt vor weniger Wichtigem, Unwesentliches wird nicht erwähnt. Bei Verdachtsmomenten empfehle ich jedem sein Zeugnis prüfen zu lassen, damit man auf der sicheren Seite ist. Dann kann es bei Bewerbungsverfahren auch kein böses Erwachen geben.
PRAKTIKUMSFÜHRER: Welche Formulierungen sollten nie in einem Zeugnis auftauchen?
Pflanz: Es gibt Formulierungen die als codierte Aussagen oder doppelbödige Formulierungen in der Literatur zu finden sind und niemals in einem Zeugnis auftauchen sollten. Diese so genannte Geheimsprache gibt es für Leistungsbeschreibungen und die persönliche Führung bis hin zur Schlussformulierung. Wird beispielsweise geschrieben: Für ihre Mitarbeit bedanken wir uns., kann damit gemeint sein: die Mitarbeit war mangelhaft, zum Glück sind wir sie (endlich) los. Besser klingt es so: Wir danken Frau/Herrn XY für die guten Leistungen und die angenehme Zusammenarbeit. Persönlich halte ich gar nichts von doppelbödigen Formulierungen, denn damit werden Informationen verschleiert und der Sinn der Worte ist verbal nicht mehr zu erkennen so dass nur noch Fachleute so ein Zeugnis lesen und bewerten können. Der Zeugnisinhaber ist aber hinters Licht geführt. Zeugnisse, die so verklausuliert und widersprüchlich geschrieben sind, werden von den Gerichten kassiert.
PRAKTIKUMSFÜHRER: Welche Rechte habe ich, wenn ich mich ungerecht beurteilt fühle?
Pflanz: Wer sich ungerecht beurteilt fühlt sollte zunächst bei seinem Vorgesetzten freundlich nachfragen, denn die Beweislast liegt in diesem Fall beim Zeugnisempfänger. Nur weil man immer gut gearbeitet hat, sich nichts zu Schulden kommen lies, als pünktlich und zuverlässig galt, muss man nicht zwangläufig eine sehr gute Beurteilung erhalten. Die Erledigung aller normalen alltäglichen Aufgaben ist als maximal gut zu bewerten, wobei es zwischen der zusammenfassenden Leistungsbeurteilung und der Aufgaben- und Leistungsbeschreibung auf jeden Fall einen Zusammenhang geben muss. Wenn eine scheinbar ungerechte Beurteilung mit dem Vorgesetzten geklärt werden kann, wird dieser auch zu einer Korrektur des Zeugnisses bereit sein. Vielleicht ist diese Panne unbeabsichtigt passiert.
Wenn es sich aber um eine echte ungerechte Beurteilung handeln sollte, das Zeugnis also inhaltlich nicht zutreffend oder unvollständig ist und als fehlerhaft eingestuft werden kann, muss es nicht akzeptiert werden. In diesem Fall begründet man seinen Zeugnisberichtigungsanspruch schriftlich und bittet darum, das Zeugnis nochmals ordnungsgemäß und vollständig auszustellen. Auch wenn das Zeugnis formale Fehler wie Rechtschreibung, fehlendes Geschäftspapier oder unkorrekte Unterschriften enthält, muss es nicht akzeptiert werden. Am besten schriftlich auf die Mängel hinweisen und um ordnungsgemäße Ausstellung in einer angemessenen Frist von ca. 2-3 Wochen bitten. Dabei kann es günstig sein, einen Zeugnisvorschlag mit den entsprechenden Ergänzungen beizufügen. Wenn das nicht zum Erfolg führt, dann ist juristische Unterstützung angesagt.
PRAKTIKUMSFÜHRER: In einem Zeugnis kann vieles, was zunächst positiv erscheint auf den zweiten Blick völlig anders ausgelegt werden. Aufgeschlossenheit gegenüber Anderen steht plötzlich für Tratscherei oder Geselligkeit für Alkohol-Probleme. Was halten Sie von solchen versteckten Standard-Formulierungen?
Pflanz: Von derlei versteckten Standard-Formulierungen halte ich nichts. Sie gelten als Geheimfloskeln und werden als konkrete negative Aussagen interpretiert. Sie sind auch sehr selten in Zeugnissen zu finden, da sie jeder kennt. Es gibt genügend Möglichkeiten der Abstufung in den Leistungs- und Verhaltensbeurteilungen, so dass solche versteckten Standard-Formulierungen nicht oder kaum verwendet werden. Sollten sie doch im Zeugnis vorkommen, dann kann und sollte das Zeugnis reklamiert werden.
Herzlichen Dank für das Interview!
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